[Rezension] Du wolltest es doch

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1888

von Louise O’Neill

Originaltitel: Asking for it
Originalverlag: Quercus, 2015
aus dem Englischen von: Katarina Ganslandt

Erscheinungstermin: 25. Juli 2018
Hardcover mit Schutzumschlag,
368 Seiten, ab 16 Jahren

ISBN: 978-3-551-58386-4
D: 18,00 € | A: 18,50 €
ebook D: 12,99 €

Verlag und Quelle für Bild, Autorenbeschreibung sowie Klappentext: Carlsen


die Autorin: 

Die Autorin Louise O’Neill hat Themen wie Feminismus, Body Shaming und Selbstbestimmung zu ihren Herzensanliegen erklärt und mit ihren Büchern international zahlreiche Preise gewonnen. Sie lebt und arbeitet in West Cork, Irland, hat eine wöchentliche Kolumne im Irish Examiner und ist ein häufiger Gast in Fernseh- und Radiosendungen.

Klappentext:

„Emma ist hübsch und beliebt, die Jungs reißen sich um sie. Und sie genießt es, versucht, immer im Mittelpunkt zu stehen: Das Mädchen, das jeden herumkriegt. Bis sie nach einer Party zerschlagen und mit zerrissenem Kleid vor ihrem Haus aufwacht. Klar, sie ist mit Paul ins Schlafzimmer gegangen. Hat Pillen eingeworfen. Die anderen Jungs kamen hinterher. Aber dann? Sie erinnert sich nicht, aber die gesamte Schule weiß es. Sie haben die Fotos gesehen. Ist Emma wirklich selber schuld? Was hat sie erwartet – Emma, die Schlampe in dem ultrakurzen Kleid?“

Zitate:

„Ich war erleichtert, als ich Maggie dann einige Zeit später das erste Mal selbst sah und feststellte, dass sie zwar wirklich hübsch war, aber definitiv nicht hübscher als ich.“ Seite 24

„Er ist der Einzige, der mich noch anschaut, und er schaut zu genau hin. Ich habe Angst vor dem, was er sieht.“ Seite 255

Meinung:

Emma ist „in“, beliebt, bewundert und sie weiß und genießt das auch. Sie steht gerne im Mittelpunkt und dafür ist ihr beinahe jedes Mittel recht. Bis zu dem Vorfall auf einer Party, nachdem plötzlich das böse „V-Wort“ mit ihr in Verbindung gebracht wird. Plötzlich muss sie auf die harte Tour lernen, was es heißt, vergewaltigt worden zu sein, und nicht jeden auf ihrer Seite zu haben.

Puhhhhh, also, ähhhhhhhh. Ich weiß gerade gar nicht so genau, wo ich anfangen soll.
Normalerweise lese ich ja relativ schnell, vor allem, wenn mich ein Buch fesselt. In diesem Fall muss ich jedoch gestehen, dass ich an diesen 368 Seiten jetzt knapp eine Woche gelesen habe. Das liegt jedoch nicht daran, dass es sich um ein schlechtes Buch handeln würde, ganz gewiss nicht! Es ist einfach so, dass es durch die schwere Thematik einfach absolut nichts für „nebenher“ ist, ich aber andererseits auch immer wieder eine Pause brauchte, weil es stellenweise einfach wirklich hart ist und mich dadurch sehr mitgenommen hat.
Das fing schon damit an, dass Emma eigentlich eine absolut unsympathische Person ist. Sie ist überheblich, herablassend, hält andere absichtlich klein und hebt sich selbst dadurch empor. Sie suhlt sich in Bewunderung, neidet selbst ihre Freundinnen! Für sie ist beliebt zu sein Arbeit, denn sie muss so tun, als würde sie sich für andere interessieren… Für sie ist es wie ein innerer Zwang, immer und immer wieder jedem beweisen zu müssen, wie anders sie ist und somit weder Standard oder gar vorhersehbar!
Der Umgang mit anderen und ihr eigenes Selbstbild war für mich sehr anstrengend zu lesen, weil ich sie, ehrlich gesagt, am liebsten geschüttelt hätte. Pfui! Und auch ihre lockerer Umgang mit Drogen, Sex und Alkohol ist bestimmt für den ein oder anderen grenzwertig zu lesen, aber nun gut, das ist ist dem Fall natürlich ein wichtiger Bestandteil der Geschichte. Obwohl da zugegeben bei mir auch gleich die Gedanken aufkamen, dass das eigene Kind (wenn man eins hätte) hoffentlich nie so ein „verschobenes“ Weltbild haben wird, dass es ihm so wichtig sein könnte, „einzigartig“ zu sein. Andererseits ist das aber ja auch keine Sache, die tatsächlich gezwungenermaßen eine Vergewaltigung hervorruft oder verhindert, sondern ich wünsche es mir einfach für das Kind! Ach, ihr wisst hoffentlich was ich meine. Ich wünsche mir einfach für unsere Kinder ein besseres Selbstwertgefühl, als Emma es hat.

Und auch der zweite Teil der Geschichte, also der nach der Vergewaltigung, ist nicht wirklich einfacher. Man bekommt viele Unterthemen vor Augen geführt, über die man nicht nur unweigerlich nachdenkt, sondern die einen emotional auch sehr aufwühlen – zumal die Details des Vorfalls schlicht und ergreifend brutal sind, machen wir uns da nichts vor. Nichts für schwache Nerven!
Ob es sich bei diesen Unterthemen um öffentliche Angriffe, Drohungen oder die Umgangsweisen der eigenen Familie damit handelt, nichts davon ist wirklich einfach. Und dann ist da ja noch das immens wichtige Thema „Victim Blaming“, das Zuweisen der Schuld auf das Opfer. Man hat das ja alles schonmal gehört „selbst schuld, warum ist das Kleid so kurz“, „warum hat sie auch getrunken“, usw. Diese und ähnliche Diskussionen gibt es ja immer mal wieder (mögen Menschen ohne Hirn doch bitte einfach gegen eine Wand rennen!!).
Aber ich glaube, mir hat am meisten zugesetzt, dass Emma -oder besser gesagt viele der Opfer- sich selbst AUCH die Schuld gibt (geben) und das somit nicht nur von außen geschieht. Es ist einfach traurig und unbegreiflich, dass Opfer eines Missbrauchs keine Anzeige erstatten, weil sie selbst denken, sie hätten vielleicht NOCH deutlicher nein sagen müssen, sich weniger schminken dürfen oder ähnliches.

Zum Schluss kommt von mir jedoch noch ein klitzekleines „Aber“, von dem ich denke, dass es nicht nur mir beim Lesen über die Füsse fallen wird. Ein bisschen bin ich darüber gestolpert, dass Emmas Familie nach dem Vorfall nicht umgezogen ist, denn ich würde vermuten, dass das jede Familie -vorausgesetzt sie kann es sich leisten- so handhaben würde. Außer das Opfer ist so stark, dass es den Tätern absichtlich trotzen möchte, das gibt es ja auch, ist aber bei Emma nicht der Fall… Klar wäre das der Geschichte nicht zuträglich gewesen, aber zumindest als thematisierten Gedanken hätte ich es mir gewünscht, da es für mich als recht wahrscheinliche Reaktion einfach dazu gehört.

Für mich ist „Du wolltest es doch“ ein wichtiges Buch und trotz -oder gerade wegen- der thematischen Brutalität und Grausamkeit (die Altersempfehlung ist nicht grundlos bei 16 Jahren angesetzt!) ein absolutes Must-Read, von dem ich hoffe, dass es viele Menschen aufrütteln wird.
Ein „Nein“ ist und bleibt ein „Nein„, und muss eigentlich nicht extra ausgesprochen werden, wenn ein Mädchen bewusstlos ist, oder??? Ein wirklich grandioser Appell an Opfer und Umwelt, aufzuwachen und etwas zu tun!

1 KOMMENTAR

  1. Hallo Jaqueline,
    über dieses Buch habe ich jetzt schon einiges gehört und gelesen. Ich finde die Thematik, die hier angesprochen wird sehr interessant. Deine Rezension hat meine Neugierde auf die Geschichte noch einmal geschürt. Ich finde hier auch den Wandel und die Darstellung der Protagonistin sehr gut gemacht.

    Du hast zum Ende angesprochen, dass du dich fragt, warum die Familie nicht umgezogen ist. Ich kann mir vorstellen, dass es nicht einfach ist, wenn man ein Leben aufgebaut hat. Wenn die Eltern vielleicht einen Job in der Nähe habe, das Haus nicht gemietet sondern bereits gekauft wurde, wenn Verwandte und Freunde dort wohnen. Sicherlich ist es für einen Außenstehenden eine naheliegende Schlussfolgerung, dass ein Umzug einiges erleichtert hätte. Und sicherlich ist das auch die beste Lösung. Ich kann mir aber vorstellen, dass das in der Praxis dann doch oft gar nicht so ein einfacher Schritt ist. Selbst, wenn so etwas passiert ist.

    Vielen Dank für diese ausführliche und aussagekräftige Rezension. Ich werde das Buch weiterhin für eine Leselücke im Blick behalten.

    Ganz liebe Grüße
    Tanja :o)

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